Die Redlichkeit

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So weit sich laesst die Welt durchwandern,
Klagt ein verlarvter Schelm dem andern
Die selbstverschuldte Seltenheit
Der nie geuebten Redlichkeit.

Und doch flucht ihre Lust zum Schaetzen--
Da seht die Torheit ihrer Herzen!
Seht, klagen sie nicht bloss zum Schein?
Doch fluchen sie auf dich, o Wein!

So klagen, und dem Trinken fluchen,
Heisst Zwecke sonder Mittel suchen.
Nun, Brueder, red ich nicht gelehrt?
Wie man es kaum von Wolfen hoert.

Wer hat die Redlichkeit erhoben
Ohn unsre Vaeter mit zu loben?
Ja, ja, die trunken wacker Wein,
Wie konnten sie nicht redlich sein?

Drum, Brueder, bleibet euern Ahnen,
Die euch, so oft euch durstt, ermahnen,
An Treu und Trunke kindlich gleich.
Trinkt redlich aus und kuesset euch!

© Gotthold Ephraim Lessing